Drei Jahre AHA

(Die Altschwestern berichten)

Anfang 1974 lag die IHWO (Internationale Homosexuelle Weltorganisation) in ihren letzten Zügen. Die finanzielle Mißwirtschaft des Hamburger Hauptvorstands hatte den Verband in den Ruin betrieben. Aus. Vorbei.

Da saßen wir nun, Klaus-Michael, Wolf und Heinz von der Berliner Regionalgruppe, in unserem gerade erst eingerichteten Club in der Lauterstraße und beratschlagten. »Sollen wir weitermachen oder nicht?« Denn, es gab ja die HAW! Aber die war zu »links« und zu »intellektuell«. »Und der »gewöhnliche Homosexuelle«, wo trifft der sich?« Kein Zweifel, ein Bedarf war schon da. Aber ...

Wir wagten es. Auf unser Schreiben an ehemalige IWHO-Mitglieder und Interessenten kamen sechs: Manfred, Jochen, Robert, Klaus-Rolf, Wolfgang und Hans.

Erste überlegungen: »Allgemein« mußte der zu schaffende Verband sein, kein exklusiver Klüngel für Akademiker und Studenten. Und der Glaube sollte auch keine Rolle spielen. Aber »Arbeitsgemeinschaft«? Ja, arbeiten wollten wir. Clubs und Bars gab es genug.
Die »Allgemeine Homosexuelle Arbeitsgemeinschaft« war geboren. Ein »AHA-Erlebnis«. Man schrieb den 19.3.1974.

Von Anfang an fand dienstags unser offener Abend statt. Wir trafen uns zum Diskutieren und zum geselligen Beisammensein. Denn: Vorurteile abbauen – dazu braucht man Informationen. ängste beseitigen – dazu braucht man Gemeinschaft. So dienen die Referate und Diskussionen bis heute nicht nur der Vermittelung von Wissen, sonder vor allem dem Abbau von Barrieren zwischen den Anwesenden. Aus diesem Grund ist auch die Zeit für Referate und Plenumsdiskussionen beschränkt. »Guck dir doch mal die vielen kleinen Gruppen an, die weiterdiskutieren. Siehst du jemand der alleine sitzt?« – »Nee.«.
Der starke Zulauf zwang uns noch im gleichen Jahr, in größere Räume umzuziehen. Das war gar nicht so einfach: »Ach, schwul seid ihr? Wissen sie, wir haben ja nichts gegen Homosexuelle, aber wir sind ein anständiges Haus.«

Schließlich fanden wir in der Behaimstraße unsere neue Bleibe. Die ersten Wochen brachten uns abermals mehr Mitglieder, mehr Gäste. Neue Arbeitsgruppen bildeten sich. Auch für Hobbie-Gruppen (Wandern, Malen) und Fêten fanden sich Interessenten. Euphorische Stimmung – und dann die erste große Krise. Spannungen traten auf, Rivalitäten wurden sichtbar.

»Klüngel-Bildung«, »elitärer Vorstand«, »Gerüchte Küche«, »Keiner kümmert sich um die Neuen«. Allgemeine Unlust. »Wir tun nichts, damit Frauen bei uns heimisch werden!« – »Was sollen wir denn mit Frauen in der AHA?«

Doch es gelang uns, die Krise zu meistern. Die Kommunikationsstruktur wurde durch Einrichtung des Forums verbessert, der Türdienst zur Betreuung der Gäste auf Vordermann gebracht, und vieles andere mehr.
Es ging wieder aufwärts. Doch nicht nur die AHA machte sich, auch ihre Mitglieder mauserten sich mit der Zeit. Wie viele sind zuerst zigmal ums Haus geschlichen ohne sich hineinzutrauen und jetzt gehören sie zu unseren Aktivisten. Einige rückten in den Vorstand nach und brachten so frischen Wind in die Gruppe, andere engagierten sich in den Arbeitsgruppen. Man bekennt sich zur Homosexualität! – nicht stolz, aber auch nicht mit dem Mut der Verzweifelung. Eine Ku-Damm-Aktion fand statt. Raus aus den Mauselöchern! All das war nur möglich, weil wir uns gegenseitig geholfen haben. Weiter so!

Sogar das »e.V.« wurde endlich Wirklichkeit. Diese Frage begleitete uns vom ersten Tag an. Zuerst waren wir nur wenige und diese Wenigen hatten Angst vor allzu großer Öffentlichkeit. Dann wollte der Vorstand, doch die Mitglieder drohten mit Austritt. Mitte 1976 war es dann endlich soweit. Nun hatten genug Mitglieder die Traute – auch ein Erfolg unserer Arbeit. Neue Arbeitsgruppen konstituierten sich. Die Mitgliederzahl stieg. Wir zogen abermals um: In die Suarezstraße. Ein guter Griff, denn die neuen Räume kommen gut an.

60 Mitglieder, beinahe 10 Arbeitsgruppen, viele Interessenten und Gäste; viele aktive Mitglieder und damit eine immer größere Effizienz unserer Arbeit; steigender Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad unserer Gruppe: Das ist die Bilanz von 3 Jahren Arbeit!

Heute können wir über unsere damaligen Bedenken nur lachen. Sind wir stolz? Ja, ein bißchen. Auf uns alle!