Datum: 29. Mai 2015

In den letzten Jahren haben einige Parteien und Verbände ihre Vergangenheit bezüglich pädophilie-freundlicher Positionen in den Siebziger- und Achtzigerjahren aufgearbeitet. Öffentlich diskutiert wurden hier vor allem die FDP und Bündnis 90/Die Grünen. In einigen dieser Recherchen taucht der AHA-Berlin e.V. auf. In einem Medienbericht wurde unser Verein sogar pauschal als »Lobbygruppe für Pädophilie« bezeichnet. Eine solche Bezeichnung weisen wir als heute Aktive in diesem Verein entschieden zurück. Die AHA war in ihrer Geschichte niemals auf einen solchen Vereinszweck ausgerichtet, noch toleriert oder unterstützt sie heute entsprechende Positionen.

Wir sind stolz, der älteste, noch existierende, schwule Verein Deutschlands zu sein. Wir sind damit gewissermaßen ein »Relikt« der Schwulenbewegung, wissen aber auch, dass das mit sich bringt, dass auch die Irrwege dieser Bewegung Teil unserer Geschichte sind, zum Beispiel die fehlende Abgrenzung zu pädophilen Positionen. Im Hinblick auf das vierzigjährige Bestehen unseres Vereins im Jahr 2014 haben wir diesen dunklen Punkt der Vereinsgeschichte, soweit unsere Quellen und die Archive des Schwulen Museums es zuließen, aufgearbeitet.

Die AHA versteht sich seit ihrer Gründung im Jahr 1974 als ein Dach für verschiedenste schwule (später schwul-lesbische und trans*-) Interessen, von gemeinsamer Freizeitgestaltung bis hin zu politischer Arbeit.
Anfang der Achtzigerjahre hatte die AHA über 200 Mitglieder, die sich in rund 25 weitgehend autonom arbeitenden AGs engagierten. Aus einem (aus heutiger Sicht falschen) Toleranzgedanken heraus gab es leider auch in der AHA – wie in vielen Organisationen der Schwulen- und Bürgerrechtsbewegung jener Zeit – eine kleine, etwa 5- bis 10-köpfige Gruppe offen pädophiler Männer, die unter anderem die Abschaffung des §176 StGB forderten. Parallel dazu existierte die sogenannte »Knastgruppe«, die personelle und inhaltliche Überschneidungen mit der »AG Pädophilie« aufwies. Beide Arbeitsgruppen waren in der AHA mehr geduldet als integriert. Dennoch übernahmen der Verein oder andere AGs (z.B. die AG »Schwule Juristen«) in einigen Publikationen manche ihrer Forderungen, obwohl das Wirken der AG in der AHA stets kontrovers betrachtet wurde. Der Versuch der AG, 1980 eine Satzungsänderung zu erwirken und die AHA als »Organisation aller sexuell Diskriminierten« zu definieren, scheiterte.
In der ersten Hälfte der Achtzigerjahre zog sich die AG aus der AHA zurück. Unter dem Dach der AHA existierte sie von 1979 bis ca. 1983, danach wurde sie in Publikationen des Vereins nicht mehr gelistet. Der AG-Gründer, der einschlägig bekannte (und mehrfach verurteilte) Aktivist Fred Karst, wurde schon 1981 aus dem Verein ausgeschlossen, in den Folgejahren verließen weitere bekannte Aktivisten (Olaf Stüben, Rainer Schädlich) den Verein. Es ist dokumentiert, dass die AG sich spätestens seit 1985 außerhalb des Vereins organisierte.

Mitte der Neunzigerjahre wurde dieses Kapitel der Vereinsgeschichte erstmals aufgearbeitet, was 1995 in einen Beschluss der Mitglieder mündete, eine klare Distanzierung zur Pädophilie in ein geplantes Grundsatzprogramm des Vereins aufzunehmen.
Diese frühe Distanzierung haben die Mitglieder der AHA auf einen Plenum im September 2013, sowie nach dem Bericht der eingesetzten Geschichts-AG auf einer Mitgliederversammlung im März 2014, noch einmal ausdrücklich erneuert. Aus heutiger Sicht bedauern wir, dass unser Verein vor über 30 Jahren einer Gruppe von Pädophilen ein Forum gegeben hat und zeitweise Positionen verbreitet hat, die geeignet waren, den Missbrauch von Kindern zu fördern oder zu verharmlosen.

Gleichzeitig möchten wir betonen, dass die heute existierende AHA personell und inhaltlich eine andere ist als die AHA der frühen Achtzigerjahre. Heute ist die AHA ein komplett ehrenamtlich und emanzipatorisch arbeitender Verein, der ein breit gefächertes Kultur- und Freizeitprogramm für Schwule, Lesben und Trans*-Menschen anbietet.
Wir wehren uns dagegen, dass mehrere hundert Ehrenamtler, die sich in den letzten Jahrzehnten in der AHA engagierten, durch die ein oder andere ungerechtfertigte Pauschalisierung der Berichterstattung (z.B. in DER SPIEGEL 36/2013) einem Generalverdacht ausgesetzt wurden. Besorgniserregend finden wir, dass im Zuge mancher Berichterstattung der unsäglichen Verknüpfung von Homosexualität und Pädophilie das Wort geredet wurde, von der wir, nach fast 40 Jahren im Kampf gegen Diskriminierung und Stigmatisierung hofften, dass sie allmählich überwunden wäre.

Dennoch gehört es leider zur Geschichte der Schwulenbewegung, dass sie in ihren Anfangsjahren auch offen für pädophile Strömungen war. Rückblickend betrachtet war es ein großer Fehler, dass die AHA diesen Irrweg einige Jahre lang mitgegangen ist.

Für die Mitglieder des AHA-Berlin e.V.:
Der Vorstand

Diese Stellungnahme wurde erstmals am 4. September 2013 als Reaktion auf den Artikel »Das Tabu durchbrochen« (DER SPIEGEL 36/2013: S. 36/37) und Nachfolgeartikel in anderen Medien publiziert und zuletzt im Mai 2015 aufgrund neuer Erkenntnisse aktualisiert und erweitert.