Das Thema begegnet uns immer wieder und fast jeder scheint eine eigene Geschichte zu haben, wie und wo das Berliner Stadtmagazin Siegessäule gegründet wurde. Mal ist sie der Nachfolger unseres eigenen AHA-Info, mal wurde sie im SchwuZ gegründet und dann wieder im Buchladen Eisenherz. Grund genug, um bei den Nachforschungen zum 40-jährigen Bestehen unseres Vereins beim Stöbern in den Archiven auch dieser Frage nachzugehen.
Das AHA-Info
Schon lange bevor ein regelmäßig erscheinendes schwul-lesbisches Stadtmagazin in Berlin erhältlich war, gab die AHA ihre eigene Vereinszeitschrift heraus: Das AHA-Info. Die Inspiration dazu wird 1975 sicherlich auch in der Zeitschrift IHWO-Info gelegen haben, war doch die AHA selbst gerade erst aus der Berliner Regionalgruppe der Internationalen Homosexuellen Weltorganisation hervorgegangen. Im ältesten in unserem Archiv erhaltene Heft Nummer 2 von April/Mai 1975 dreht sich alles um das einjährigen Bestehen der AHA.
Danach erschien das Info offenbar zunächst in lockerer Folge. Im Frühjahr 1977 gibt es die Ausgabe zum dreijährigen Bestehen des Vereins. Darin finden sich neben der Rückschau der Gründungselsen der AHA eine Vorstellung der vielen Arbeitsgruppen, die damals den Verein bevölkerten.
Richtig los ging es dann Ende 1978. Das AHA-Info erschien nun fast immer monatlich. Die Zeitschrift beschäftigte sich nun nicht mehr rein mit Vereinsinterna. Neben Berichten aus den verschiedenen AGs des Vereins finden sich dort Artikel zu aktuellen Themen, ein Pressespiegel aus dem In- und Ausland sowie Infos und Werbeanzeigen zu anderen Projekten und Orten in der Berliner Szene.
Das in Handarbeit produzierte Heft wurde dabei in akribischer Kleinarbeit aus Schreibmaschinenseiten, Zeitungsausschnitten und Bildmaterial zusammengestellt und kopiertechnisch vervielfältigt.
Die Themen in den 1980er Jahren sind vielfältig: Polizei-Razzien auf den Klappen und im Tiergarten, Probleme des noch jungen Schwulenreferats der FU, bundesweite Aktionen gegen den § 175, die legendäre Veranstaltung zur Bundestagswahl 1980 in der Bonner Beethovenhalle, Informationen der Parteien zur Abgeordnetenhauswahl füllen die Hefte. Und in der Dezemberausgabe findet man sogar Plätzchenrezepte.
Der Aufwand für die Produktion des Heftes dürfte recht groß gewesen sein, und dennoch wurde die Arbeit (wie alle Arbeiten in der AHA) komplett unbezahlt und ehrenamtlich erbracht. Diesem Umstand mag es geschuldet sein, dass Anfang 1984 beim AHA-Info zunehmend die »Luft raus« war. Doch statt das Projekt versanden zu lassen, tat die AHA den logischen nächsten Schritt – es gab ja das TBS …
Das Treffen Berliner Schwulengruppen
Anfang der 1980er Jahren hatte sich das Treffen Berliner Schwulengruppen zusammengefunden, zu dem man sich bis in die 1990er Jahre hinein jeden Monat traf. Mitte der 80er saßen Vertreter verschiedener schwuler Projekte in Berlin in den Räumen der AHA an der Friedrichstraße. Beim TBS wurden aktuelle Themen diskutiert, der CSD organisiert – und Projekte auf den Weg gebracht. So kam es, dass der AHA-Vorstand bei der TBS-Sitzung am 10. Februar 1984 einen Vorschlag einbrachte:
Ausschnitt aus dem TBS-Protokoll vom 10.02.1984. Seite 3
Archiv des Schwulen Museums
Das »schwindsüchtige AHA-Info« sollte in ein »monatliches Info aller TBS-Gruppen« überführt werden. Sofort bildet sich eine begeisterte Arbeitsgruppe.
Die Gründung der Siegessäule
Bei den Treffen in der Buchhandlung Eisenherz muss das Projekt schnell konkrete und größere Züge angenommen haben, als der Protokolleintrag vom Februar ahnen lies. Schon beim nächsten TBS am 9. März 1984 hat das Kind einen Namen: Siegessäule soll das neue Magazin heißen! Laut TBS-Protokoll wird berichtet, dass die Zeitschrift zum ersten Mal am 1. April 1984 erscheint. Sie soll 1,– DM kosten, 12 Seiten im DIN-A4-Format haben und mit einer Auflage von 500 Stück gedruckt werden. Bereits drei Treffen des etwa 10-köpfigen Teams hatte es bereits gegeben. Vom TBS gibt es eine Starthilfe von 1000,– DM. Die Redaktion tagt weiterhin bei Eisenherz.
Aus Zeitzeugenberichten wissen wir außerdem, dass es im (alten) SchwuZ in der Hasenheide – vermutlich im März 1984 – ein offizielles Gründungstreffen für die Siegessäule gegeben hat. Hierzu soll es auch noch Unterlagen im SchwuZ-Archiv geben, die aber bisher noch nicht den Weg zu uns gefunden haben …
So erschien im März 1984, zum 10-jährigen Geburtstag der AHA, die letzte Ausgabe des AHA-Info. Im Monat darauf konnten man statt dessen in der AHA, bei Eisenherz und verschiedenen anderen Orten in der Stadt die brandneue Siegessäule erwerben. Der Staffelstab war übergeben und treffenderweise war »10 Jahre AHA« sowohl für das letzte AHA-Info als auch für die erste Siegessäule ein Titelthema.
All die verschiedenen Geschichten zur Gründung der Siegessäule sind also auf ihre Art wahr, geben für sich aber oft nur ein Teil der Geschichte wieder. Fakt ist, das die Gründung der Siegessäule vor allem eines ist: ein gemeinsames Projekt der schwulen Gruppen, das ohne das TBS, den Buchladen Eisenherz, das SchwuZ und die AHA sicher nicht zustande gekommen wäre. Was wir anhand der TBS-Protokolle sicher sagen können ist, das die Siegessäule in der AHA beim TBS quasi gezeugt wurde … und die alte Tante AHA hat dabei den ersten Schritt gemacht. Gegründet wurde die Zeitung dann im SchwuZ und zur Welt gebracht bei Eisenherz. Und heute, dreißig Jahre später, sind auch wir ein klein wenig stolz auf das gemeinsame Kind!
Quellen
- Archiv des Schwulen Museums. Sammlung TBS. TBS-Protokolle Januar 1984 bis 1984.
- Sammlung AHA-Info. Archiv der AHA.
- Zeitzeugenberichte von diversen Quellen.